Welche Beziehung zur Natur wollen wir eigentlich?

Einladung vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) – Internationale Naturschutzakademie Insel Vilm

Vom 19. bis 23. August wurde ich vom Bundesamt für Naturschutz auf die schöne Insel Vilm zur Interdisziplinären Wissenschaftstagung zur Biodiversitätsforschung im Rahmen des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) eingeladen. Es trafen sich über 30 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus eine Vielzahl an Disziplinen, um über das Thema Biodiversität in ihren Projekten zu berichten.

 

Beeindruckend war von Beginn an die Location der Veranstaltung. Die Insel Vilm liegt in der Nähe der deutlich größeren Insel Rügen und wird seit über 450 Jahren nicht beforstet. Schon der Maler C. G. Carus nannte sie 1819 die „Urnatur des Nordens“ in seinem Buch „Eine Rügenreise“. Die Internationale Naturschutzakademie ist in mehreren Reetdachhäusern untergebracht, eine wirklich naturbelassene Gegend, deren entschleunigende Wirkung schnell auf Körper und Geist übergeht. Ein idealer Ort, um Ideen und Inspirationen rund um die biologische Vielfalt zu sammeln.

Die Themen der Vorträge reichten von Biodiversität und Bildung, Agrarlandschaft, Landnutzung, Recht, Wälder, Gesundheit und nachhaltiger Ernährung bis zu Ökosystemleistungen und die Diskussion rund um das Nagoya-Protokoll. Ein Vortrag behandelte die marine Biodiversität, was unter den landfokussierten Vorträgen ein echter Exot war.

In vielen Vorträgen wurde die Bewusstseins-Verhalten-Lücke diskutiert sowie andere sozial- & umweltpsychologische Faktoren. Der Konsum war dabei ein zentrales Thema. In diesem Kontext wurde noch einmal die Abkopplung von Konsument und Produktion eines Produkts deutlich, ein eindrucksvolles Beispiel war die Vorstellung eines Bauernhofs von Kindern im Projekt. Was sind Gründe des Konsums und wo kann man ansetzen, einen Wandel zu erzielen? Für mich war ein Vortrag über die nachhaltige Landnutzung im Biosphärenreservat Spreewald spannend, da zwei Laborregionen der Biodiversitäts-Exploratorien ebenfalls UNESCO-Biosphärenreservate sind. Auch hier wurde klar, dass die Landschaft verschiedene Interessen bedienen muss und dies zu Konflikten, aber auch Potenzialen führen kann.

Zusammenfassend wurde in den Tagen noch einmal klar, wie stark unsere Natur seit 5500 v. Chr. anthropozentrisch geprägt ist. Daher ist die Diskussion rund um das Natur-Mensch Verhältnis notwendig, um eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Besonders beeindruckt hat mich noch einmal die Abgrenzung der Begriffe Umwelt und Natur in dieser Diskussion. Die CBD bietet dafür einen bedeutsamen Rahmen des Naturschutzrechts, der internationalen Interessen ausgesetzt ist. Nur gemeinsam kann die Konvention ihre positive Wirkung für alle erzielen.

 

Der kurvenreiche Weg zur Transdisziplinarität – ISOE Brilliant Minds Summer School

Letzte Woche (30. Juli bis 3. August 2018) hatte ich die Möglichkeit, mich mit internationalen jungen WissenschaftlerInnen zum Thema Transdisziplinarität (TD) auszutauschen. Die Summer School „Brilliant minds for Social-Ecological Transformations“ wurde von Doktoranden des ISOE – Institut für sozialökologische Forschung organisiert und von der Volkswagen Stiftung unterstützt. Insgesamt kamen mehr als 30 WissenschaftlerInnen aus unterschiedlichen Diziplinen mit einer großen Vielfalt an Forschungsthemen zusammen.

 

Aber erst einmal die Basics: Was versteht man eigentlich unter TD? Dr. Alexandra Lux (ISOE) führte uns in die spannende Thematik ein. Dabei wurde klar, dass sich viele Projekte den Titel auf die Fahne schreiben, es aber keine allgemein akzeptierte Definition gibt. Die Unterscheidung zwischen Inter- und Transdisziplinarität ist dabei wichtig zu verstehen. In einem ISOE-Paper steht folgende Beschreibung: „Transdisciplinarity is an extension of interdisciplinary forms of the problem-specific integration of knowledge and methods; while integration refers to scientific questions at the interface of different disciplines in interdisciplinarity, in transdisciplinarity, on the other hand, it is about integration at the interface of these scientific questions and societal problems“ (Jahn et al., 2012 S. 2). Es ist also die wechselseitige Zusammenarbeit von Wissenschaft und gesellschaftlichen Akteuren, die TD auszeichnet. Dies sollte bestenfalls zu einem „gegenseitigen Lernen (engl. mutual learning)“ auf beiden Seiten führen.

Um alle Dimensionen von TD-Projekten verstehen zu können, waren die einzelnen Tage auf bestimmte Forschungsschritte fokussiert. Begonnen wurde mit dem „Problem Framing“, also was man genau unter einem TD-Projekt und dessen Prozess verstehen kann. Dies wurde mit einem praktischen Beispiel, dem Projekt NiddaMan, untermauert. Während einer Kanutour auf der Nidda wurde einem noch einmal bewusst, dass es sich um reale Probleme in diesen Projekten handelt und dass das Verstecken hinter dem Schreibtisch der falsche Weg ist. Hier ist ein aktiver Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft gefordert. Neue Herausforderungen, wie die Verständigung und das Verstehen anderer „Sprachen“, sind ein großes Thema. Jedoch lohnt sich dieser Prozess, da am Ende ein gemeinsames Ergebnis steht, das von allen Seiten getragen wird. Man könnte gar von einer neuen Form der direkten Demokratie sprechen, da Bürgerinnen und Bürger eine wichtige und aktive Rolle spielen. Allerdings muss dabei beachtet werden, welcher Teil der Gesellschaft teilnimmt und das eine Repräsentativität aller Interessensgruppen äußerst schwierig ist. Der zweite Tag stand unter dem Titel „Knowledge & Results Integration“. Besonders die Präsentation von Dr. Monica Berger-Gonzalez De White war inspirierend, da TD-Projekte eine Plattform zur gleichwertigen Integration von indigenem Wissen in den wissenschaftlichen Prozess bietet. Der anschließende Workshop über „Group-Model-Building“ mit Prof. Dr. Matthias Bergmann veranschaulichte noch einmal, wie wichtig es ist das Netzwerk und die Rollen der betroffenen Akteure in einem Projekt zu verstehen. Der dritte Tag begann mit einer Präsentation von Dr. Jens Libbe mit seinen Erfahrungen und Tipps aus TD-Projekten.  Zudem wurden wir in die hochtechnische Methode des „Participatory Social Simulation“ von Leonard Higi eingeführt. Die Verwendung von neuen technischen Möglichkeiten sollte zur räumlichen Veranschaulichung des Projektvorhabens unbedingt beachtet werden! Am vierten Tag ging es dann um die Evalution und Qualitätssicherung der TD-Projekte. Ein sehr spannendes Thema, das auch an meine Masterarbeit anknüpft. Eine prozessbegleitende Evaluation kann zur direkten Aufdeckung von Problemen und Planänderungen führen und somit eine gesellschaftliche und nachhaltige Wirkung sichern. Der Abend endete mit einer interaktiven Vorstellung von „Real-World Laboratories for Sustainability“ mit Dr. Regina Rhodius. Sie arbeitet in einem Reallabor-Projekt im Nordschwarzwald und hat dadurch einen großen Erfahrungsschatz, den sie mit uns geteilt hat. Zum Abschluss erhielten wir noch Einblick in „Science Communication“ und den neuen Trend von Video-Abstracts mit  Dipl.-Phys. Philipp Schrögel (KIT). Auch hier wurde noch einmal klar, dass Wissenschaft kommuniziert werden muss und sich die/der WissenschaftlerIn  darüber klar sein muss, wie sie/er ihre/seine Zielgruppe erreicht. Auch hier führen tausend Wege nach Rom, man muss sie nur erkennen und nutzen.

Was nehme ich mit? Zum einen nehme ich mit, dass TD ein hohes Maß an Vertrauen und Transparenz von allen Projektpartnern bedeutet („How my partners become my allies?“). Das Thema Macht darf dennoch nicht ignoriert werden, da es den Projektprozess maßgeblich beeinflussen kann. Zum anderen hat diese Vorgehensweise großes Potential zur nachhaltigen Entwicklung, da Probleme gemeinsam bearbeitet werden und gesellschaftliche, aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse generiert werden können. Allerdings sehe ich persönlich diesen problem-orientierten Ansatz auch als eine Art „end-of-pipe“ Lösung. In meinem Master habe ich gelernt, dass diese notwendig sind, aber durch präventive Maßnahmen ergänzt oder ersetzt werden müssen. Wie dies in TD möglich ist bedeutet für mich noch weitere Lektüre. Abschließend ist für mich noch einmal wichtig klar zu machen, dass die gesellschaftliche Seite nicht nur aus Partizipation in einem Projekt bestehen darf, sondern das gesellschaftliche System hinter den Antworten und Methoden verstanden werden muss. Wie das Ökosystem der Nidda begutachtet wird, so muss auch das soziale Netzwerk um die Nidda herum verstanden werden, um nachhaltige Lösungen zu generieren. Daran  werde ich in meiner Promotion weiterarbeiten. Ein PhD in diesem Feld ist nicht geradlinig, aber dadurch auch extrem spannend!

Weitere Infos:

Zeitungsartikel über die Summer School in der Frankfurter Rundschau.