Meine Erfahrungen als YESS-Delegationsmitglied auf der 7. Plenarsitzung des UN-Weltbiodiversitätsrats (IPBES)

*English version below

Der UN-Weltbiodiversitätsrat (engl. Intergovernmental Science-Policy Platfrom on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES)) hat vom 30. April bis 4. Mai 2019 in Paris getagt. Grund war die Erarbeitung und Verabschiedung des wissenschaftlich fundierten globalen Berichts zum Zustand der Natur und Biodiversität. Als Mitglied der Young Ecosystem Services Specialists (YESS) habe ich mich als Delegationsmitglied beworben und wurde erfreulicherweise angenommen. YESS ist Teil des Netzwerks Ecosystem Services Partnership (ESP) und möchte jungen WissenschaftlerInnen ein Gesicht und eine Stimme in der Forschung rund um Biodiversität geben. Schon vor der Plenarwoche im UNESCO-Hauptgebäude haben wir mehrere Webinars gehabt, in denen uns die Arbeit von IPBES genau erklärt wurde (weitere Informationen dazu siehe hier). Wir hatten die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu diskutieren. Auch während der Plenarwoche war unser Tag verplant mit zu Beginn einem Stakeholder Day und einem Networking Lunch und während der Arbeitstage hatten wir mehrmals die Möglichkeit, uns mit IPBES-Expertinnen und -Experten persönlich auszutauschen. Vielen Dank für die Organisation!

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Die YESS-Delegation.

Auf meiner Zugreise nach Paris habe ich mir noch einmal Gedanken über meine Erwartungen gemacht. Im Vergleich dazu habe ich die wissenschaftliche Fundierung und Tragweite unterschätzt und kann nun den globalen Prozess besser verstehen. Bei Weitem konnte ich nicht alle Events besuchen, als Beobachterin (engl. „observer“) ist man nicht zu allen Sitzungen eingeladen. Aber vor allem hat mich der Austausch zwischen Wissenschaft und Politik fasziniert, in dem ein wechselseitiges Verständnis unabdingbar ist, um eine Co-Produktion zu ermöglichen. Dies ist bei weitem kein linearer Fluss von Wissenschaft zur Politik. Besonders die Funktion der Gruppe „Friends of the Chair“ als Subgroup hat mich interessiert, da bei Streitpunkten des Öfteren nur durch diese Gruppe eine Lösung errungen werden konnte. Durch diesen Austausch und gemeinsame Erarbeitung entsteht „Ownership“, ein Verantwortungsgefühl, das für die weitere gesellschaftliche Wirkung maßgeblich ist. Nur wer sich selbst in dem Text wiederfindet wird ihn akzeptieren und verarbeiten. Dagegen ist das sogenannte „Freerider-Problem“ ebenfalls Thema. In mehreren Gesprächen wurde mir klar, dass Kontakte und Beziehungen untereinander von ungeheurem Wert sind, um eine Vertrauensbasis zu erlangen und damit gemeinsam voranzukommen. Dennoch wurde auch mehrfach betont, dass die Sozialwissenschaften immer noch unterrepräsentiert sind und eine weitere Integration/ Öffnung des Prozesses gefordert wird. Hier stelle ich mir wirklich die Frage, warum das so ist. Auch in der Soziologie verfechte ich den Standpunkt, dass die Natur um unser gesellschaftliches Gefüge existiert und das System maßgeblich beeinflusst.

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Der Plenarsaal im UNESCO-Gebäude.

Bei der Bearbeitung des globalen Berichts sind mir einige Punkte beim Zuhören der Debatte aufgefallen. Es wurde mehrfach betont, dass eine Katalysatorfunktion zwischen verschiedenen Beschlüssen und Abkommen gebildet werden soll (z.B. mit der UN-Agenda 2030, IPCC, CBD). Für mich war nicht immer klar, ob es um wissenschaftliche oder politische Ambitionen in der Argumentationslinie der 104 RegierungsvertreterInnen (von 132 IPBES-Mitgliedsstaaten) ging. Dies auseinanderhalten zu können benötigt eine lange Schule! Jedoch betonte der Chair Sir Bob Watson mehrfach, dass der Bericht „can´t be policy descriptive“. Dennoch kämpften die Staaten um jede Schwächung, oder Stärkung von Sätzen durch die Zusätze „could“, „can“, oder „as possible“. Auch diese Sprache muss in internationalen Berichten verstanden und gedeutet werden.

Inhaltlich hat mich besonders die Diskussion um die Internalisierung, oder auch momentane Externalisierung, von natürlichen Ressourcen in der gesamten Lieferkette interessiert. Hier ist vor allem das globale Denken ohne politische Grenzen relevant. Besonders beeindruckt hat mich, dass ein „transformative change“ gefordert wird, insbesondere im ökonomischen System. Man muss die Dynamik unserer Systeme erkennen und Veränderungen müssen diskutiert werden dürfen. Der Privatsektor wurde als wichtiger Akteur neben der Politik eingestuft.  Dabei soll lokales Wissen der Bevölkerung, oder auch von Indigenen, integriert werden. Doch wie sollen die Ergebnisse von IPBES auf lokaler Ebene größeres Gehör finden? Dies ist eine Frage, mit der sich auch die nächste Phase intensiv beschäftigen wird. Zudem hatten wir die Möglichkeit, die direkte Umsetzung in Paris bei einem Rundgang mit einem Verantwortlichen für die Grünflächen der Stadt zu sehen. Urban Gardening und die Begrünung im urbanen Raum sind Lösungsansätze, um dem erkannten Verlust der Biodiversität entgegenzuwirken.

 

 

Ebenfalls interessant die Debatte um die Konzepte der Ökosystemleistungen und „Nature´s contribution to people“ (NCP). Dank der Diskussion mit Marie Stenseke (MEP task force/expert group member of IPBES) wurde klar, dass NCP ein breites Konzept ist, das Kultur als Basis sieht und die Leistungen der Natur integriert. Hier wird momentan kein entweder-oder angestrebt, denn viele Länder haben mit dem Konzept der Ökosystemleistungen einiges erreicht und wollen das nicht über Bord werfen. Auch hier wieder das Rangeln zwischen wissenschaftlicher Vernunft und politischer Realität.

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Unser Meet-the-expert Gespräch mit Marie Stenseke im UNESCO-Garten.

Der Bericht wurde am Montag, den 6.5.2019 um 13 Uhr online vorgestellt. Kernaussagen des Berichts finden Sie hier. Schon jetzt sieht man in Deutschland eine große mediale Aufmerksamkeit. Das ist gut, denn es bringt die dringende Notwendigkeit einer Verhaltensveränderung ins Bewusstsein. Im Abschlussstatement betont Sir Robert Watson, dass das Thema Biodiversität auf der politischen Agenda auf die gleiche Ebene wie die Klimaveränderungen gehoben werden muss. Das wollen wir erreichen und werden wir nur gemeinsam erreichen können. Ich fühle mich geehrt, dass ich diesen Prozess so nah mitverfolgen durfte und werde das gewonnene Wissen sicherlich für meine Promotion und meine weitere Karriere verwenden können. Vielen Dank!

 

 

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****English version

My experiences as a YESS delegation member at the 7th Plenary Session of the Intergovnermental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES-7)

The Intergovernmental Science Policy on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) met in Paris from April 30th to May 4th, 2019. The reason was the preparation and adoption of the scientifically sound global report on the state of global nature and biodiversity. As a member of the Young Ecosystem Services Specialists (YESS), I applied as a delegate and was fortunately accepted.

YESS is part of the Ecosystem Services Partnership (ESP) network and wants to give young scientists a face and voice in biodiversity research. Even before the plenary week in the UNESCO headquarters in Paris, we had several webinars in which the work of IPBES was explained to us in detail. We had the opportunity to ask questions and discussed several topics (structure of IPBES, possible outcomes, etc.). We had a full schedule during the plenary week. A Stakeholder Day and a Networking Lunch was organized at the beginning and we had several opportunities to exchange personally with IPBES experts. Thank you for the organization!

I thought about my expectations on my train trip to Paris. In hindsight, I underestimated the scientific foundation and scope and can now better understand the global process. By far I could not attend all the events, as an observer you are not invited to all sessions, but above all I was fascinated by the exchange between science and policy, in which a mutual understanding is indispensable to generation Co-Production. This is by no means a linear flow from science to policy. Especially the function of the subgroup “Friends of the Chair” was interesting, because disputes could be sometimes only be solved by this group. Ownership arose through this exchange and joint development, that is relevant to the wider social and political impact of the results. Only those who find themselves in the text will accept and apply it. In contrast, the so-called “freerider problem”, which means to gain acknowledgement in the scientific community without any effort in the formulation process of the assessment, is also an issue.

In several conversations, it became clear to me that contacts and networks are of tremendous value in order to gain a basis of trust and to move forward together. Nevertheless, it has repeatedly been emphasized that the social sciences are still underrepresented and that further integration / opening of the process is required. Here I really ask myself the question about the reasons behind this situation. In sociology too I defend the viewpoint that nature exists around our social structure and that it has a decisive influence on the system.

During the working process, I noticed some points while listening to the debate. It has been emphasized on several occasions that a catalyst effect is to be formed between different decisions and agreements (for example with UN Agenda 2030, IPCC, CBD). For me, it was not always clear whether scientific or political ambitions were in the line of argument of the 104 government representatives (out of 132 IPBES member states). To be able to tell this apart requires long-term experiences! However, the Chair, Sir Robert Watson, repeatedly emphasized that the report “can’t be policy descriptive”. Nevertheless, the states fought for any weakening, or strengthening of sentences by the additions of “could”, “can”, or “as possible”. This language must also be understood and interpreted in international reports.

In terms of content, I was especially interested in the discussion about the internalization, or externalization, of natural resources throughout the supply chain. Above all, global thinking without political boundaries is relevant here. I was particularly impressed that a “transformative change” is required, especially in the economic system. One has to recognize the dynamics of our systems and change must be discussed. The private sector has been classified as a major actor alongside politics. Local knowledge of the population or indigenous people should be integrated. But how should the results of IPBES be heard at a local level? This is a question that will be dealt with intensively in the next phase.

We also had the opportunity to see the direct implementation in Paris on a tour with a person responsible for the city’s green spaces. Urban gardening and greening in urban areas are solutions to counter the perceived loss of biodiversity.

Also interesting is the debate on the concepts of ecosystem services and nature’s contribution to people (NCP). Thanks to the discussion with Marie Stenseke (MEP task force / expert group member of IPBES), it became clear that NCP is a broad concept that integrates culture as the basis and Ecosystem Services are included. There is currently no either-or aspired to, because many countries have achieved a lot with the concept of Ecosystem Services and do not want to throw that overboard. Again, the rattle between scientific reasons and political reality.

The report was presented online at 13:00 on Monday, 6/5/2019. Key messages from the report can be found here. You can see a lot of media attention worldwide as well as in Germany. That’s good, because it brings the urgent need for behavioural change into consciousness. In the closing statement, Sir Robert Watson stressed that biodiversity needs to be raised to the same level as climate change on the political agenda. We want to achieve that and we will only be able to achieve it together. I am honored that I was able to follow this process so closely and will certainly be able to use the knowledge gained for my PhD and my further career. Thank you very much for this amazing opportunity!

This article is also published at https://medium.com/naturewords/my-experiences-as-a-yess-delegation-member-at-the-7th-plenary-session-of-the-intergovernmental-e30e0a16e532

Ein Gedanke zu “Meine Erfahrungen als YESS-Delegationsmitglied auf der 7. Plenarsitzung des UN-Weltbiodiversitätsrats (IPBES)

  1. Der Erhalt der biologischen Vielfalt und der Kampf um die Begrenzung der Klimaänderung sind jeweils eine Seite der gleichen Medaille.
    Gut dass sich was bewegt:)
    Bertram

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